Die Schweiz ist reich an Traditionen und Bräuchen, die bis heute lebendig geblieben sind und einen faszinierenden Einblick in die kulturelle Vielfalt des Landes bieten. Von farbenfrohen Karnevalsfesten über historische Wettkämpfe bis hin zu ländlichen Feierlichkeiten – die Schweizer Feste verbinden jahrhundertealte Traditionen mit modernem Gemeinschaftsgefühl. In diesem Artikel nehmen wir Sie mit auf eine Reise durch die faszinierendsten Feste und Bräuche der Schweiz.
1. Basler Fasnacht – Die "drey scheenschte Dääg"
Die Basler Fasnacht, die drei "scheenschte Dääg" (schönsten Tage) des Jahres, wie die Basler selbst sagen, ist eine der größten und bekanntesten Karnevalsveranstaltungen der Schweiz. Im Gegensatz zu den meisten anderen Fasnachtsfeiern beginnt sie am Montag nach Aschermittwoch um 4 Uhr morgens mit dem "Morgestraich". Bei diesem einzigartigen Spektakel werden alle Lichter der Stadt gelöscht, und tausende kostümierte Teilnehmer mit kunstvoll bemalten Laternen und Piccolo- und Trommelklängen erfüllen die Straßen.
Während der drei Tage ziehen "Cliquen" (Gruppen von Trommlern und Pfeifern) in aufwendig gestalteten Kostümen und Masken durch die Stadt. Sie spielen traditionelle "Märsche" und verteilen "Zeedel" (Zettel) mit satirischen Versen, die aktuelle Ereignisse aus Politik und Gesellschaft kommentieren. Die "Guggemusige" (Blaskapellen), die "Schnitzelbängg" (satirische Lieder) und die großen Umzüge am Montag und Mittwoch vervollständigen das Programm.
Die Basler Fasnacht wurde 2017 in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen und zieht jedes Jahr zahlreiche Besucher aus aller Welt an.
2. Sechseläuten in Zürich – Der Böögg und der Frühling
Das Sechseläuten (Sächsilüüte auf Schweizerdeutsch) ist ein traditionelles Frühlingsfest in Zürich, das jeweils am dritten Montag im April stattfindet. Den Höhepunkt des Festes bildet das Verbrennen des "Böögg", einer mit Sprengstoff gefüllten Schneemann-Figur, die den Winter symbolisiert. Je schneller der Kopf des Böögg explodiert, desto schöner soll der Sommer werden – eine Wetterprognose, auf die viele Schweizer schwören.
Dem Böögg-Verbrennen geht ein eindrucksvoller Umzug voraus, bei dem die Mitglieder der Zürcher Zünfte in historischen Kostümen durch die Stadt reiten. Der Name "Sechseläuten" stammt aus einer Zeit, als im Sommer die Arbeit um sechs Uhr abends endete, was durch das Läuten der Kirchenglocken angezeigt wurde.
Das Fest ist nicht nur ein wichtiger Teil des kulturellen Erbes von Zürich, sondern auch ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem sich Tradition und Moderne auf einzigartige Weise verbinden.
3. Alpabzug (Désalpe) – Wenn die Kühe von den Bergen kommen
Der Alpabzug, in der französischsprachigen Schweiz als "Désalpe" bekannt, ist ein traditionelles Fest, das am Ende des Sommers stattfindet, wenn die Kühe von den Alpweiden zurück ins Tal gebracht werden. Nach einem Sommer auf den nährstoffreichen Alpweiden werden die Kühe festlich geschmückt und mit klangvollen Glocken ausgestattet. Die Sennen und Sennerinnen tragen stolz ihre traditionelle Tracht.
Besonders eindrucksvolle Alpabzüge finden in Dörfern wie Charmey, Entlebuch, Engelberg und Schüpfheim statt. Die Veranstaltungen ziehen tausende Besucher an, die die farbenfrohen Prozessionen bewundern und anschließend regionale Spezialitäten wie Alpkäse und andere lokale Produkte genießen.
Der Alpabzug ist mehr als nur ein touristisches Spektakel – er spiegelt die enge Verbindung der Schweizer zu ihrer landwirtschaftlichen Tradition und ihre Wertschätzung für das Handwerk des Älplers wider.
4. Unspunnenfest – Der "Eidgenössische" Traditionswettkampf
Das Unspunnenfest bei Interlaken im Berner Oberland ist eines der ältesten traditionellen Volksfeste der Schweiz und wird auch als "Eidgenössisches Alphirtenfest" bezeichnet. Es findet nicht regelmäßig statt, sondern in Abständen von mehreren Jahren – was es zu einem besonderen Ereignis macht.
Im Mittelpunkt des Festes stehen traditionelle Schweizer Sportarten wie Schwingen (Schweizer Ringsport), Steinstoßen mit dem legendären 83,5 kg schweren Unspunnenstein, Fahnenschwingen und Alphornblasen. Neben den sportlichen Wettkämpfen gibt es Jodlerauftritte, Volkstänze und Paraden in traditionellen Trachten aus allen Kantonen der Schweiz.
Das Unspunnenfest hat seine Wurzeln im frühen 19. Jahrhundert und wurde ursprünglich ins Leben gerufen, um die Kluft zwischen der ländlichen Bevölkerung des Berner Oberlandes und der städtischen Elite zu überbrücken. Heute ist es ein Symbol für die schweizerische Einheit in Vielfalt und ein lebendiger Ausdruck des kulturellen Erbes des Landes.
5. Räbechilbi in Richterswil – Das magische Rübenlichterfest
Die Räbechilbi in Richterswil am Zürichsee ist eines der stimmungsvollsten Herbstfeste der Schweiz. Jedes Jahr am zweiten Samstag im November werden tausende von Räben (Steckrüben) kunstvoll ausgehöhlt und mit Mustern versehen. Bei Einbruch der Dunkelheit werden diese mit Kerzen beleuchtet und in einem stimmungsvollen Umzug durch das verdunkelte Dorf getragen.
Der Brauch geht auf alte Erntedankfeste zurück und hat sich in Richterswil zu einem einzigartigen Spektakel entwickelt, das jährlich tausende Besucher anzieht. Die leuchtenden Räben werden nicht nur getragen, sondern auch als Laternen an Häusern und entlang der Straßen aufgestellt, was eine magische Atmosphäre schafft.
Neben dem Umzug gibt es einen Markt mit lokalen Produkten und kulinarischen Spezialitäten. Die Räbechilbi ist ein besonders familienfreundliches Fest, bei dem Kinder eine wichtige Rolle spielen – sie gestalten ihre eigenen Räbenlaternen und tragen sie stolz im Umzug mit.
6. Chalandamarz – Wintervertreibung in Graubünden
Chalandamarz ist ein alter rätoromanischer Brauch, der jedes Jahr am 1. März in verschiedenen Dörfern Graubündens, insbesondere im Engadin, stattfindet. Der Name leitet sich vom lateinischen "calendae martis" (erster Tag des März) ab.
Bei diesem Brauch ziehen Kinder und Jugendliche mit Kuhglocken und Peitschen lärmend durch die Dörfer, um den Winter zu vertreiben und den Frühling willkommen zu heißen. Gekleidet in traditionelle Trachten, singen sie alte Lieder in rätoromanischer Sprache. In einigen Dörfern führen die Jungen auch einen Umzug mit einem Strohmann an, der den Winter symbolisiert und am Ende des Tages verbrannt wird.
Die Tradition von Chalandamarz wurde durch den Roman "Schellen-Ursli" (A Bell for Ursli) von Selina Chönz einem breiten Publikum bekannt und ist heute ein wichtiger Teil der kulturellen Identität der rätoromanischen Schweiz.
7. Eidgenössische Feste – Die Schweiz im Wettkampf vereint
Die "Eidgenössischen" sind große nationale Sportfeste, die eine zentrale Rolle in der schweizerischen Kultur spielen. Zu den bekanntesten zählen:
Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest: Alle drei Jahre findet das größte Schwingfest der Schweiz statt, bei dem die besten Schwinger des Landes um den Titel des "Schwingerkönigs" kämpfen. Neben dem Schwingen (traditioneller Ringsport) gibt es auch Wettkämpfe im Steinstoßen und Hornussen (eine Art Schweizer Cricket).
Eidgenössisches Jodlerfest: Alle drei Jahre kommen die besten Jodler, Alphornbläser und Fahnenschwinger der Schweiz zusammen, um ihre Künste zu präsentieren und sich vom Publikum und einer Fachjury bewerten zu lassen.
Eidgenössisches Schützenfest: Das weltweit größte Schützenfest findet alle fünf Jahre statt und zieht zehntausende Schützen und Besucher an.
Eidgenössisches Turnfest: Alle sechs Jahre versammeln sich Turner aus der ganzen Schweiz zum größten Breitensportanlass des Landes.
Diese Feste sind nicht nur sportliche Großereignisse, sondern auch wichtige soziale Zusammenkünfte, die das Gemeinschaftsgefühl stärken und die föderale Struktur der Schweiz widerspiegeln, indem sie Menschen aus allen Kantonen und Sprachregionen zusammenbringen.
Tips für Besucher traditioneller Schweizer Feste
1. Frühzeitig planen: Viele dieser Feste sind äußerst beliebt und Unterkünfte in der Nähe können schnell ausgebucht sein. Planen Sie Ihren Besuch möglichst weit im Voraus.
2. Öffentliche Verkehrsmittel nutzen: Die meisten Festorte sind gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, und oft werden bei großen Veranstaltungen Sonderzüge oder -busse eingesetzt. Das erspart Ihnen Parkplatzprobleme und ermöglicht es Ihnen, lokale Getränke zu genießen, ohne sich Gedanken über das Fahren machen zu müssen.
3. Wetterbedingungen beachten: Viele Feste finden teilweise oder ganz im Freien statt. Informieren Sie sich über die zu erwartenden Wetterbedingungen und kleiden Sie sich entsprechend – auch im Sommer kann es in der Schweiz kühler werden, besonders abends oder in den Bergen.
4. Lokale Bräuche respektieren: Informieren Sie sich vorab über die Bedeutung und den Ablauf des Festes, um die Traditionen besser zu verstehen und respektieren zu können.
5. Lokale Spezialitäten probieren: Traditionelle Feste sind eine hervorragende Gelegenheit, regionale kulinarische Spezialitäten zu entdecken. Von Wurstspezialitäten bis zu Süßspeisen – lassen Sie sich überraschen!
Fazit
Die traditionellen Feste und Bräuche der Schweiz bieten einen faszinierenden Einblick in die kulturelle Vielfalt und das reiche Erbe dieses kleinen, aber vielseitigen Landes. Sie verbinden Geschichte und Gegenwart, Stadt und Land, jung und alt und tragen so wesentlich zur schweizerischen Identität bei.
Von der lauten, farbenfrohen Basler Fasnacht über die feierlichen Alpabzüge bis hin zu den sportlichen Wettkämpfen der Eidgenössischen Feste – die Schweizer Traditionen sind lebendig und werden mit Begeisterung gepflegt. Sie zu erleben, bedeutet, die Schweiz in ihrer ganzen kulturellen Tiefe kennenzulernen.
Ob als aktiver Teilnehmer oder als interessierter Zuschauer – ein Besuch bei einem traditionellen Schweizer Fest verspricht unvergessliche Eindrücke und Begegnungen, die weit über das hinausgehen, was der durchschnittliche Tourist erlebt. Es lohnt sich, den Reiseplan entsprechend anzupassen und ein Stück lebendiger Schweizer Kultur mitzuerleben.